Code, der die Welt verändern soll – ein Workshop über das Programmieren

Unter dem Motto „MACHT.Code“ nahmen im Oktober 2018 23 junge Erwachsende aus der Türkei und Deutschland an einem Austauschprojekt in Berlin teil. Den Abschluss bildete ein Hackathon mit mehr als 120 technikbegeisterten Jugendlichen. Die jungen Menschen sollen ermutigt werden, die Gesellschaft aktiv mitzugestalten – durch die Möglichkeiten des Programmierens.

Am Eingang des Theaters an der Parkaue bilden silberne Luftballons das Wort „Jugend hackt”, Alpakas gucken von neonfarbenen Plakaten. An Tischen in liebevoll geschmückten Räumen sitzen hoch konzentrierte Jugendliche, versunken in Diskussionen. Im Berliner Theater wird heute nicht gespielt. Heute wird gecodet.

Die Jugendlichen sind Teilnehmer des Workshops „Using Technology for International Exchange“. In Kooperation mit der Deutsch-Türkischen Jugendbrücke und „re:coded“ hat „Jugend hackt“ dazu eingeladen. Die Organisation engagiert sich in Deutschland für die Förderung des Programmiernachwuchses.

Die türkische Gruppe des Jugendaustauschs in Berlin setzt sich aus zwei re:coded-Projekten in Universitäten in Şanlıurfa und Istanbul zusammen. Şehriban, Studentin an der Harran Üniversitesi in Şanlıurfa, sagt, sie sei sehr davon beeindruckt, wie viel die deutschen Jugendlichen bereits über Coding wüssten. Şehriban ist sehr dankbar für die Möglichkeit des Austauschs. Sie weist darauf hin, dass es für viele andere Menschen auf dieser Welt nicht so einfach sei, zu verreisen – manche deutsche Jugendliche können sich das wegen ihrer eigenen Freiheiten nur schwer vorstellen.

Die Programmiersprache ist überall gleich

Auffällig ist, wie gut die Teamarbeit der Teilnehmer*innen in so kurzer Zeit gelingt. Julia, die in Osnabrück studiert, betreut die deutsch-türkische Jugendgruppe für die gesamte Woche des Austauschs. Sie sieht keine Barrieren oder Berührungsängste. Im Gegenteil: Die jungen Erwachsenen bemerkten, dass man sich sehr ähnlich sei. Sie selbst habe früher mehrmals an Jugendaustausch-Programmen teilgenommen und findet es wichtig, jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, sich unabhängig von ihren Eltern und Zugehörigkeiten in einem ganz neuen Umfeld kennenzulernen. Das gilt nicht nur für die türkischen Teilnehmenden. Auch viele der deutschen und deutsch-türkischen Jugendlichen waren zum ersten Mal in Berlin, sie sind aus verschiedenen deutschen Städten angereist.

İpek, Studentin an der Bilgi Üniversitesi, und Gürkan, der mit 24 Jahren bereits als Freelancer arbeitet, sind zwei von den elf jungen Erwachsenen, die mit re:coded nach Berlin gekommen sind. „Alle sind hier unter einem Interesse vereint”, sagt Gürkan. Die beiden hoffen, dass die deutschen Teilnehmenden durch diesen Austausch ein besseres Bild von der Türkei bekommen haben und von nun an auch an die Türkei denken werden, wenn sie über innovative Technologien sprechen.

Das wird Muhammed aus Ulm womöglich tun. Er studiert bereits während seiner Schulzeit und schätzt die besondere Möglichkeit des Austauschs: „Es ist wie, wenn zwei verschiedene Materialien verschmelzen und ein Ganzes würde entstehen. Es ist wunderschön, wenn sich zwei Elemente verbinden und miteinander arbeiten.” Als Vermittler hat er sich, obwohl er sowohl Deutsch als auch Türkisch spricht, nur teilweise verstanden. „Bei uns Zuhause wird Türkisch gesprochen und ich bin auch mit der türkischen Kultur aufgewachsen. Ich war so dazwischen und habe Sachen auch sinnlich übersetzt, zum Beispiel Sätze wie ‚mein Schwein pfeift‘.” Sprachlich gibt es aber keine Probleme, die Teilnehmer*innen unterhalten sich auf Englisch. Hilfreich ist dabei auch, dass Coding über Ländergrenzen hinweg gleich funktioniert: Die jeweilige Programmiersprache ist gleich und Sprachkenntnisse spielen daher eine untergeordnete Rolle.

Das Besondere an der jungen Hacker-Community und „Jugend hackt“ ist ihr inklusiver Charakter. So loben die beiden Saarbrückener Abiturientinnen Jana und Elisabeth, dass sie am Anfang auch ohne besondere Vorkenntnisse bei Hackathons aufgenommen wurden: „Man kann hier hinkommen, wie man ist – und wird angenommen.” Mittlerweile ist es schon ihr sechster Hackathon. Mit ihrem Projekt eduship.de wollen Jana und Elisabeth jungen Menschen ermöglichen, schneller technologische Bildungsangebote in ihrer Umgebung zu finden.

Kein Hacken ohne Ethik

Mit dem Begriff „Hacken“ verbinden viele Menschen nicht nur positive Ereignisse, der Hack einiger Bundestagsabgeordneten im Dezember 2018 ist ein besonders negatives Beispiel. Besonders wichtig beim Workshop ist daher ist die Vorstellung des Code of Conduct und der gemeinsam Hackerethik. Die jungen Menschen sollen verstehen, dass zu einem guten Programmierer auch Werte wie Achtsamkeit und Diversität gehören. Teilnehmer Moritz ist davon überzeugt, dass der große Wert, der auf den achtsamen Umgang bei der Veranstaltung gelegt wird, ein Umfeld erzeugt, das alle einschließt. “Bei Jugend hackt achte ich darauf, weil wirklich alle anderen auch drauf achten.” Das erzeuge eine besondere Stimmung. Im Austausch mit den türkischen jungen Erwachsenen falle ihm allerdings auf, dass eine beständige internationale Ausrichtung fehle und dass sich die Realität für die beiden Gruppen durchaus anders gestaltet. Besonders, dass manche Websites in der Türkei nicht erreichbar sind, hat die deutschen Teilnehmenden sehr bewegt. Viele können sich nicht vorstellen wie es ist, ohne den Zugriff auf Wikipedia zu leben – wobei einige der Programmierer natürlich schon wissen, wie sie die Sperre umgehen.

Wofür will ich eigentlich arbeiten?

Gemeinsam diskutieren die Teilnehmer*innen außerdem die Frage “Wie will ich arbeiten und wofür will ich eigentlich arbeiten?”. Dazu besuchen sie große Unternehmen wie Mozilla (die Organisation hinter dem Browser Firefox) oder Wikimedia (die Organisation hinter Wikipedia), die freies Wissen für alle ermöglichen will. Außerdem schauen sie sich auch kleinere Non-Profit-Organisationen wie Cadus, eine gemeinnützige Hilfsorganisation im humanitären Sektor, und Kiron an. Kiron will geflüchteten Menschen eine digitale universitäre Ausbildung ermöglichen. Die Unternehmensbesuche bringen einen sozialen Aspekt in die Überlegungen der Jugendlichen ein. Was diese Organisationen vereint, ist der “people before profit”-Ansatz, der in einem profitorientieren Arbeitsfeld ein Gegenstück darstellt. So soll gezeigt werden, dass es auch Möglichkeiten gibt, das eigene Wissen für Dinge einzusetzen, die einen Mehrwert für die Gesellschaft leisten.

Marcello, einer der Gründer von „re:coded“, erhofft sich, dass die Teilnehmenden aus der Türkei mit möglichst viel Inspiration zurückkehren. Das Projekt „re:coded“ setzt sich in verschiedenen Ländern, darunter in der Türkei, dem Irak und im Jemen, dafür ein, junge Menschen für die technologischen Berufsfelder der Zukunft vorzubereiten.

Nicht nur Deutsch-Türkisch, sondern International

Besonders fällt auf, dass die meisten Jugendlichen nicht im binationalen Verhältnis denken wollen. Vielmehr geht es ihnen darum, das Zusammensein global zu sehen und zu erfassen – ganz so, wie die Welt, in der sie sich dank des Internets bewegen. Doch die digitale Begegnung kann das Treffen in Berlin nicht ersetzen: Das Wichtige an einem Austausch, so einer der Teilnehmer, sei immer noch, die Menschen zu treffen und ihre Geschichten zu hören. Das nämlich bringe alle ein wenig näher. Efrian und Kübra sind so begeistert vom Hackathon und dem Jugendaustausch, dass sie nun planen, in der Türkei ein ähnliches Projekt umzusetzen. Die neu gewonnenen deutschen Freundinnen und Freunde sind natürlich schon mit eingeplant.

Das Projekt ist Teil der Projektreihe „Continuing Unique Stories“ der Deutsch-Türkischen Jugendbrücke.
Die Projektreihe wird aus Mitteln des Auswärtigen Amtes finanziert.

Fotos von den Vorbereitungstagen
Fotos vom Hackathon

Alle Bilder stehen unter der Lizenz “CC-BY 4.0 Jugend hackt, Foto: Leonard Wolf”