Lass deine Projektidee Wirklichkeit werden: Das Youth Ambassador Training

Der Prozess von einer Projektidee zu ihrer Umsetzung ist ein langer, aber keinesfalls unmöglicher Weg. Er birgt nur ein paar Hindernisse und scharfe Kurven, die mit der nötigen Erfahrung und Expertise bewältigt werden können. Um diesen Weg nicht alleine beschreiten zu müssen, gibt es das Youth Ambassador Training (YAT), das in Hamburg-Altona zwischen dem 11. und 15. Oktober 2018 in die vierte Runde ging.

35 junge Menschen aus Deutschland und der Türkei haben diese Chance ergriffen. Es ist der dritte Programmtag. Zuvor wurde schon fleißig gebrainstormt, Plakate wurden gestaltet. Ein Blick an die Wände des Workshop-Raums, die voll sind von gestalteten Plakaten, bunten Karteikarten und Post-Its, lässt erahnen, wie intensiv die ersten drei Tage bereits waren. Das YAT stellt die Jugendlichen hierbei nicht nur vor inhaltliche Herausforderungen, sondern auch vor sprachliche. Denn das Programm findet auf Türkisch und Deutsch statt. Vorträge werden simultan übersetzt, bei Gruppenarbeiten ist aber sprachliche Kooperation gefragt. Hierbei wird ein Mix aus Deutsch, Türkisch und Englisch gesprochen. Auch beim Mittagessen ist dieser Sprachmix kaum zu überhören. Ein Sprachmix, der funktioniert und neue Tore eröffnet.

Das Youth Ambassador Training ist eine Initiative der Deutsch-Türkischen Jugendbrücke, die in Kooperation mit InterCultur seit 2015 durchgeführt wird. Übergreifendes Ziel des Trainings ist es, dass junge Menschen, die den Wunsch haben, sich für Begegnung und Austausch zwischen Deutschland und der Türkei einzusetzen, dazu befähigt werden. So besteht das Programm vor allem aus Workshops zu Themen wie Projektentwicklung und -management, Interkulturellem Lernen, Präsentationstechniken, Fundraising, Design, Finanzierung und Evaluation – alles Prozesse, die man für die erfolgreiche Durchführung eines Projektes braucht.

„Ich war verwundert, dass sich deutsche Jugendliche für die Türkei interessieren“

Viele der Jugendlichen, die aus der Türkei angereist sind, haben familiäre Verbindungen nach Deutschland, haben in Vergangenheit an einem Schüleraustauschprogramm teilgenommen oder studieren an der Türkisch-Deutschen Universität in Istanbul. Anıl zum Beispiel hat einen Teil seiner Kindheit in Deutschland verbracht, bis seine Familie sich entschied, zurück in die Türkei zu kehren. „Viele meiner Verwandten leben immer noch in Köln und Karlsruhe, weshalb ich nach wie vor einen starken Bezug zu diesem Land habe”, erzählt er. Manche Jugendliche aus der Türkei hatten bis dato nur Kontakt zu deutschen Touristen in Antalya und manche Jugendliche aus Deutschland wiederum kannten die Türkei nur aus ihrem Strandurlaub dort.

Durch diesen eher oberflächlichen Kontakt können schon mal Vorurteile entstehen. „Der intensive Austausch im Rahmen solcher Programme bietet die Chance, sich über seine eigenen Vorurteile bewusst zu werden und man kann anfangen, sie abzubauen. Plötzlich merkt man zum Beispiel, dass Deutsche gar nicht so pünktlich sind wie immer angenommen wird”, erzählen Aleyna und Alp, die beide aus Istanbul angereist sind und lachen. „Ich war sehr verwundert, als ich gesehen habe, dass es in Deutschland junge Menschen gibt, die sich für die Türkei interessieren und sogar Türkisch sprechen”, erzählt Begüm, die vor Kurzem ihr Studium in Karlsruhe begonnen hat. „Ich finde es sehr schade, dass während meiner Schulzeit keine Austauschprogramme angeboten wurden und bin nun umso glücklicher, am Training teilnehmen zu können”, fügt Jasmin hinzu, die aus München angereist ist.

Während ihre persönlichen Bezüge zu beiden Ländern sehr unterschiedlich sind, ist ihre Motivation, am YAT teilzunehmen, sehr ähnlich. Im Kern möchten sie alle die Gesellschaft aktiv mitgestalten und sich für einen Dialog zwischen der Türkei und Deutschland einsetzen. „Meine Motivation, warum ich hier bin, ist, eine Brücke zwischen beiden Ländern zu bauen”, sagt Anıl, „dabei stellt sich für mich immer die grundlegende Frage, wie wir es schaffen können, außerhalb nationaler Grenzen zu denken und Weltbürger zu werden”.

„Irgendwo muss man ja anfangen“

Die 22-jährige Studentin Seher aus Berlin hat nach der Schule mit dem „weltwärts“-Programm ein paar Monate in Istanbul verbracht. Sie wollte das Land, aus dem ihre Familie kommt, aus nächster Nähe kennenlernen und ihre Türkischkenntnisse verbessern. Daher entschied sie sich, dort in einem Nachhilfezentrum zu arbeiten. „Während der Schulzeit habe ich angefangen, mich sehr mit meiner eigenen deutsch-türkischen Identität auseinanderzusetzen und habe festgestellt, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund häufig nicht die gleichen Bildungschancen haben”, erzählt sie. Also schrieb sie sich den Kampf für die Bildungsgleichheit auf die Fahne und fing an, sich zivilgesellschaftlich zu engagieren. Auch hat sie eigene Projektideen, die sie umsetzen will, um die Zukunft junger Menschen mitzugestalten. „Vielleicht denke ich zu idealistisch”, sagt sie, “aber irgendwo muss man ja anfangen, die Gesellschaft aktiv mitzugestalten”. Deshalb habe sie sich für das YAT beworben und will sich die nötigen Handwerk-Tools für ihre eigenen Projektdurchführungen aneignen. So wie Seher haben auch weitere Teilnehmende einen türkischen Migrationshintergrund und interessieren sich für ähnliche gesellschaftliche Fragen.

Ein Beispiel dafür, was aus dem YAT entstehen kann, ist der Jugendbotschafter Verein. Die Idee dazu ist während eines Trainings der Vorjahre entwickelt worden. „Wir waren der Meinung, dass junge Menschen in der deutsch-türkischen Jugendarbeit selber aktiv werden müssen und ihr Wissen nachfolgenden Jugendlichen weitergeben sollten und gründeten deshalb einen Verein”, erzählt Anja, die ihr Interesse an der Türkei durch eine Summer School an der der Sabancı Universität in Istanbul entdeckte. Gemeinsam mit Sönke, der bereits mit 16 Jahren ein Schuljahr in Istanbul verbrachte, bildet sie den Vorstand des Vereins. So ist das YAT gedacht: Jugendliche können sich hier ihre eigenen geschützten Räume schaffen, ihr Wissen und ihre Kompetenzen weitervermitteln und eigenständig bestimmen, in welche Richtung die deutsch-türkische Jugendarbeit gehen soll.

„Nachfrage ist in der Türkei grösser als in Deutschland“

Die Trainerin des YAT Jane Neugebauer steht voll und ganz hinter diesem Ansatz. „Ich habe ursprünglich auf Lehramt studiert und durch mehrere Auslandsaufenthalte und Einblicke in die Bildungsarbeit dann gemerkt, dass das System Schule zu starr ist”, sagt sie. Bildungsarbeit finde sie großartig, aber dabei dürfe nie der nötige Freiraum fehlen. „Oft wird Jugendlichen zu wenig zugetraut und sie werden zu oft bevormundet”, fügt sie hinzu. Dabei sei das gar nicht nötig, denn junge Menschen wüssten selber am besten, was sie brauchen. Für die Zukunft der Bildungsarbeit wünscht sich Jane, dass Projekte wie das YAT in der Öffentlichkeit sichtbarer werden und somit noch mehr Jugendliche die Chance ergreifen, sich zu entfalten und ihre kreativen Ideen umzusetzen.

Die Anzahl der Teilnehmer*innen aus der Türkei und Deutschland soll bei den Austauschprojekten möglichst ausgeglichen sein. Allerdings sei die Nachfrage in der Türkei am YAT-Programm viel größer als in Deutschland, stellen die beiden Trainer*innen Jane und Emre fest. Das liege vor allem daran, dass junge Menschen in Deutschland häufig kein so großes Interesse an der Türkei haben – es sei denn, sie haben zum Beispiel im Rahmen eines Schüleraustauschprogrammes bereits eine gewisse Zeit in der Türkei verbracht. „Wenn es hingegen um ein Austauschprojekt mit Australien geht, ist das Interesse sehr groß”, sagt die Trainerin Jane. Woran es liegt, dass die Türkei bei Jugendlichen auf wenig Interesse stößt, darüber könne man nur Vermutungen anstellen.

Die Mauern in den Köpfen sollen durchbrochen werden

Die Projektreferentin der Deutsch-Türkischen Jugendbrücke Nadine Kaiatz sagt, dass die Deutsch-Türkische Jugendarbeit im Allgemeinen nicht so präsent sei wie die Jugendarbeit zwischen Deutschland und anderen Ländern. „Wir müssen daran arbeiten, beide Länder noch viel mehr miteinander zu vernetzen und Projekte sichtbarer machen, damit die entsprechenden Chancen und Potentiale bei mehr Jugendlichen in beiden Ländern ankommen”, erzählt Nadine mit voller Überzeugung und sieht auch die besonderen Herausforderungen dabei. „Vor allem Jugendliche, die in ländlichen Gebieten der Türkei leben, oder Jugendliche mit körperlicher Beeinträchtigung haben wir mit den Projekten bisher wenig erreicht”, sagt Kaiatz.

Die Deutsch-Türkische Jugendbrücke arbeite aber an diesen Herausforderungen. Neben all den Barrieren, die es in Zukunft zu bewältigen gilt, sind sich alle Teilnehmenden über eines einig: Gemeinsam verbringen sie eine sehr intensive Zeit, in der neue Freundschaften entstehen und Interkulturalität gelebt wird. „So schaffen wir es, die Mauern in unseren Köpfen zu durchbrechen“: Dieser Satz fiel beim YAT nicht nur einmal.

Das Projekt ist Teil der Projektreihe „Continuing Unique Stories“ der Deutsch-Türkischen Jugendbrücke.
Die Projektreihe wird aus Mitteln des Auswärtigen Amtes finanziert.